In 30 Tagen durch den Boulevard (5)

In 30 Tagen durch den Boulevard - Tag 5

Tag 5: 10. Februar 2014

Es ist der fünfte Tag meines Martyriums. Ich spüre, wie sich eine Decke aus Frust über mir ausbreitet. Mich dürstet es nach seriösen Nachrichten. Wenn ich doch nur einen kurzen Blick auf die Süddeutsche oder die taz werfen könnte. Ich versuche, den Kopf frei zu bekommen und mich auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren. Doch ich ahne, dass es heute nicht leicht wird, als ich die Titelseiten von BILD, B. Z. und Berliner Kurier sehe…

“Bla, bla, bla!” giftet es mich von der B. Z. an. Was als polemischer Kommentar zu Klaus Wowereits Stellungnahme bezüglich der Steueraffäre seines Kulturstaatssekretärs gemeint war, steht gleichwohl sinnbildlich für die Trivialitäten, die mir als Leser der Boulevardpresse heute vermittelt werden sollen. Auch wenn mich die Schlagzeile “Schade Pechi! Im Eisschnelllauf leider nur Blechi” (Berliner Kurier) durchaus zum Schmunzeln bringt, muss ich mich bei der Themenauswahl ernsthaft fragen, ob zur Zeit eigentlich _irgendetwas_ von Belang in der Welt los ist.

Bei meinem Versuch, ein erstes Resümee der letzten Tage zu ziehen, fällt mir auf, dass internationale Politik so gut wie gar keine Rolle in der Welt des Boulevard spielt. Die Sichtweise ist durch und durch regional (um nicht zu sagen national) - und emotional. Die meisten Beiträge sind darauf ausgerichtet, Angst und/oder Wut zu erzeugen. “Todes-Schüsse auf Türsteher”, “Ja, auch wir haben betrogen!”, “Fisch wird teurer!” (kein Scherz…). Inwiefern tragen solche Nachrichten zur Rolle der Presse als sogenannte “Vierte Staatsgewalt” bei? Wie soll mir das helfen, mich als mündiger Bürger zu fühlen? Wie soll ich Zusammenhänge erkennen oder mir eine fundierte Meinung bilden?

Versteht mich nicht falsch: Trivialitäten haben durchaus ihre Berechtigung. Ich liebe Trivialitäten. Doch wenn ich meine Informationen ausschließlich aus solchen Quellen beziehe - und ein Großteil der Bevölkerung tut genau das - geht ein wichtiger Teil des öffentlichen Lebens komplett an mir vorbei. Die Folgen dieser permanten Desinformation können gar nicht ernst genug eingeschätzt werden.

Ich muss zugeben, dass das alles natürlich keine weltbewegenden, neuen Erkenntnisse sind. Nicht umsonst wird von entsprechender Stelle immer wieder auf die Boulevardpresse geschimpft. Und ja, die Welt ist nun mal hart und ungerecht. Aber Massenmedien wie die BILD (die meinem Empfinden nach überraschenderweise tatsächlich noch der harmloseste Teil dieses Triptychons der Volksverdummung ist) tragen eine nicht unerhebliche Verantwortung. Man muss sich das mal klarmachen: wir reden hier nicht von irgendwelchen zweitklassigen Klatschblättern, die sich das Schlagwort “Entertainment” auf die Fahne geschrieben haben, sondern von den auflagenstärksten Tageszeitungen Deutschlands (BILD) bzw. Berlins (B. Z. - Der Berliner Kurier hat im Ostteil der Stadt sehr viele Leser)! Auch in Zeiten des Internets ist das Format der Tageszeitung (für mich zumindest) immernoch der Inbegriff der informierenden Presse schlechthin.

Bleibt also nur noch die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Bedient die Boulevardpresse einfach das Bedürfnis der Leser nach Banalitäten oder erzeugt sie sie überhaupt erst? Ich weiß es nicht. Vielleicht habt ihr ja eine Antwort.

  • Thomas Werth

    “Doch wenn ich meine Informationen ausschließlich aus solchen Quellen beziehe – und ein Großteil der Bevölkerung tut genau das [...]”

    Das ist eine ziemlich starke Behauptung und in meinen Augen auch (eine) der Kernfragen: Schließt das Konsumieren von Boulevard-Medien das Informieren über seriöse Quellen (welche auch immer das sein mögen) grundsätzlich bzw. größtenteils aus?

    Oder anders gefragt: Was motiviert die (Mehrheit der) Leute entsprechende Zeitungen zu kaufen? Informationsdurst oder Unterhaltungslust?!

    • http://www.weltenschummler.com/ Marvin Mügge

      Das ist in der Tat eine spannende Frage.

      Ich behaupte, dass es sich nicht grundsätzlich, aber eben doch größtenteils ausschließt. Sicher gibt es einige wenige, die sich aus reiner Lust am Trash, wegen des Sportteils oder einfach nur zu Entertainmentzwecken einen Kurier, eine B. Z. oder eine BILD kaufen. Ich befürchte jedoch, dass das nur einen verschwindend geringen Teil ausmacht.

      Und das ist genau der Punkt, den man sich klarmachen muss: Unterhaltung? Ja. Seriöse Information über das aktuelle Tagesgeschehen? Nein. Muss ein Boulevardblatt das überhaupt leisten? Per Definition natürlich nicht. Aber wenn der Leser denkt, er verfüge über fundierte Informationen, dann haben wir ein Problem. Denn die Berichterstattung in den Boulevard-Medien ist nun mal alles andere als neutral oder gar unabhängig (auch wenn sie sich gerne damit brüsten).

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