In 30 Tagen durch den Boulevard (2)

In 30 Tagen durch den Boulevard - Tag 2

Tag 2: 07. Februar 2014

Was auch immer sich BILD und B. Z. heute ausgedacht haben - es kann nicht besser werden als das Titelthema des Berliner Kuriers: “Zweitjob Hure. Ich verdiene 6000 Euro pro Monat steuerfrei.” Ich möchte nicht vorschnell urteilen, aber es scheint sich bereits am zweiten Tag meiner Recherche ein Favorit für den Gipfel der Belanglosigkeiten abzuzeichnen.

Die erste Frage, die mir durch den Kopf schießt: Warum brauche ich noch einen Erstjob, wenn ich im Zweitjob 6000 Euro verdiene? Zweitens: Was möchte uns der Autor damit sagen? Soll der Beitrag etwa in die aktuell diskutierte Kerbe der prominenten “Steuersünder” schlagen? Verbirgt sich hinter der Augenbinde der Frau auf dem Cover gar eine Person von öffentlichem Interesse? Auf Seite 12 erfahre ich, dass Kathrin (25) durchschnittlich mit sechs Männern am Tag gegen Honorar kopuliert, hauptberuflich Fitnesstrainerin (Schwerpunkt: Pole Dance) ist und - jetzt kommt die eigentliche Sensation - “Immer mehr Berlinerinnen die Haushaltskasse mit Lust aufbessern.” Fantastisch. Alle Zwangsprostituierten dieser Welt sind sicher hoch erfreut das zu hören.

In unendlicher Dankbarkeit ob dieses hochinvestigativen Berichts male ich mir meine nähere Zukunft aus. Prostitution scheint jedenfalls ein großes Thema in der Redaktion des Berliner Kuriers zu sein (ich erinnere an den Nuttenpreller-Ring von gestern). Ich bin mir bloß noch nicht sicher, ob ich als Leser davor bewahrt oder in dieselbe getrieben werden soll…

Angesichts dieser Aussichten bin ich tatsächlich etwas erleichtert, als ich die Headline der BILD erblicke. “Merkels Schatzmeister schmeißt hin” enthält immerhin eine politisch relevante Information. Wow. Die B. Z. kümmert sich derweil um die lokalpolitische Schlammschlacht um Klaus Wowereit und seinen Kulturstaatssekretär André Schmitz. Wobei - eigentlich geht es nur um den Regierenden Bürgermeister, der laut B. Z. tatsächlich einen Putsch fürchtet. Einen Putsch also, so so. Schauen wir uns die genaue Definition des Wortes “Putsch” noch einmal genauer an. Der Duden hält folgende Erklärung bereit:

von einer kleineren Gruppe [von Militärs] durchgeführter Umsturz[versuch] zur Übernahme der Staatsgewalt

Beispiel

ein missglückter, unblutiger Putsch
der Putsch wurde blutig erstickt
einen Putsch anzetteln
der Diktator ist durch einen Putsch an die Macht gekommen

Die Konnotation, die mit dieser Wortwahl aufgebaut werden soll, ist klar: Der Regierende Bürgermeister ist ein totalitärer Herrscher, der von nicht minder fragwürdigen Gestalten (womöglich unter Androhung von Gewalt) aus dem Amt gedrängt werden soll, wenn er nicht voher freiwillig abtritt. Das wäre für ein Satireformat eine durchaus passable Meldung und scharfzüngige Position. Für eine Tageszeitung jedoch ist es billige Meinungsmache. Aber, hey - ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. Es ist jedoch verblüffend, wie sehr die Realität dem Klischee entspricht.

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