The Salvation: Zen und die Kunst der Vergeltung

the-salvation-mads-mikkelsen-plakat

© 2014 Concorde Filmverleih GmbH

Minimalistisches Lehrstück des Western-Genres: Angenehm unaufgeregt und mit großer Dynamik erzählt Kristian Levrings “The Salvation” die klassische Geschichte von Auge um Auge und Zahn um Zahn - verpasst allerdings den letzten Schritt in Richtung Meisterwerk.

Wenn man die Storyline der dänischen Produktion “The Salvation” durchliest, drängt sich einem unweigerlich das Gefühl auf, dass man hier nach einer Art Rache-Western-Blaupause vorgegangen ist: Mann sucht sein Glück in Amerika, lässt Familie zurück, baut sich etwas auf, holt Frau und Kind nach, böse Buben töten Familie, Mann hat nichts mehr zu verlieren, legt sich mit den bösen Buben an und nimmt Rache. Umso beeindruckender ist es, wenn dann aus dieser an sich platten Story ein dichter, vor Atmosphäre knisternder Film konstruiert wird, der mit gnadenlosem Minimalismus eine Spannung inszeniert, die dem Zuschauer fast körperliches Unbehagen bereitet.

the-salvation-1

© 2014 Concorde Filmverleih GmbH / Credit Joe Alblas
Der Korse (Eric Cantona) hat sich mit seinen Kumpanen bedrohlich vor dem Saloon aufgebaut.

Im Westen nichts Neues

Regisseur und Drehbuchautor Kristian Levring arbeitete sich bei seinem Projekt ganz offensichtlich an den gängigen Archetypen des Wilden Westens und großen Vorbildern wie Sergio Leone oder John Ford ab. Da gibt es den Sheriff, der gleichzeitig Pfarrer ist, den Bestatter/Bürgermeister, den dämlichen Hilfs-Sheriff und natürlich den Dorfdespoten, der die Bevölkerung mit Gewalt und Schutzgelderpressung unterjocht. All diese Zutaten wirken so old school, dass man sich fast schon wundert, dass solche Filme heutzutage noch gemacht werden.

Beschränkung auf das Wesentliche

Mit angenehmem Understatement zelebriert Levring jede Sekunde, jeden Schuss, jeden Schlag und jeden Schweißtropfen. Als Protagonist Jon (Mads Mikkelsen) die Leichname seiner Frau und seines Sohnes bei sich zu Hause aufbahrt und sein Bruder Peter (Mikael Persbrandt) schockiert dazu kommt, wird mit wenig Worten erstaunlich viel gesagt - selbst Soziopathen dürften an dieser Stelle mitbekommen, dass etwas Schreckliches passiert sein muss. Und wenn Bösewicht Delarue (Jeffrey Dean Morgan) wie ein launischer Tyrann durch das Städtchen Black Creek stolziert, kommt man sich vor, als würde man bei einer Gerichtsverhandlung zusehen, die von einem übelgelaunten Kind geleitet wird, das noch keinen Sinn für Gut und Böse hat, aber zum Richter und Henker in Personalunion ernannt wurde.

© 2014 Concorde Filmverleih GmbH / Credit Joe Alblas Der Anführer der Bande Delarue (Jeffrey Dean Morgan) ist kompromißlos böse

© 2014 Concorde Filmverleih GmbH / Credit Joe Alblas
Der Anführer der Bande Delarue (Jeffrey Dean Morgan) ist kompromißlos böse

Überhaupt macht “The Salvation” nicht viele Worte, sondern arbeitet eher visuell und klanglich. Die sowieso schon karge, wüstenähnliche Landschaft wurde in der Postproduction zusätzlich in ein rötliches Braun getaucht und jeder Schuss wirkt wie eine brachiale Explosion, die man noch von der ISS aus hören könnte. Und obwohl der Film in Südafrika gedreht wurde, kommt der geneigte Wild-West-Connaisseur dank niemals aufdringlich eingesetzter CGI in den Genuss des Anblicks des unverkennbaren Monument Valley. So fügt es sich dann auch perfekt in das Gesamtbild dieses archetypischen Westerns, dass der Soundtrack mit seinen hispanischen Gitarrenklängen irgendwie an Ennio Morricone erinnert und somit das Lehrstück perfekt macht.

Solide Vorstellung

Die Darsteller bewegen sich allesamt in dem Genre, als hätten sie noch nie etwas anderes gespielt. Neben den bereits erwähnten Mads Mikkelsen, Mikael Persbrandt und Jeffrey Dean Morgan sei dabei besonders Eva Green hervorgehoben, die das Kunststück fertig bringt, eine Figur nur mit ihren Augen zu erzählen - ihrer Rolle Madelaine wurde die Zunge herausgeschnitten.

Wer in “The Salvation” allerdings einen tieferen Sinn, eine Metaebene sucht, der wird enttäuscht. Levring greift weder gesellschaftliche Themen auf noch ergeht er sich in einer philosophischen Abhandlung über Sinn und Unsinn von Rache und Gewalt. Wie ein Chronist bannt er die Episode im Leben des Protagonisten Jon auf die Leinwand, ohne diese zu bewerten. Mann sucht sein Glück in Amerika, lässt Familie zurück, baut sich etwas auf, holt Frau und Kind nach, böse Buben töten Familie, Mann hat nichts mehr zu verlieren, legt sich mit den bösen Buben an und nimmt Rache. Das ist solide und funktioniert. “The Salvation” hat in diesem “Einfach-Nur-Sein” fast schon etwas Zen-artiges - verpasst aber damit auch den Sprung zu einem echten Meisterwerk. Dennoch: So einfach kann gut gemachtes Kino sein.

Kinostart: 09.10.2014

Trailer Direktlink
http://youtu.be/2WUqWVEhgjU&w=675

Marvin Mügge

Marvin Mügge

Weltraumpräsident at Weltenschummler
Gonzo-Journalist. Hat als Einziger das Ende von Lost verstanden und eine hohe Trash-Toleranzgrenze. Serienaddict, Kinogänger, Medienkritiker, GIF-Sammler und gescheiterter Physiker. Gründer von Weltenschummler.
Marvin Mügge
- 2 Tagen ago
Marvin Mügge