Omega Massif – ein Nachruf

Omega Maiif – Karpatia (2011) Cover

Vor nicht mal einem halben Jahr habe ich meine neue Lieblingsband entdeckt. Jetzt hat sie sich aufgelöst. Ich war wohl einfach zu spät dran. Ein Nachruf auf Omega Massif. Ihr habt mir viel über Musik beigebracht. You will be missed.

Karg. Schwer. Hart. Düster. Majestätisch. Spröde. Meditativ. Erhaben. Enigmatisch. Unerbittlich. Schwindelerregend. Distanziert.

Sorry. Texte, insbesondere solche über Musik, dürfen ja nicht zu Adjektivschlachten verkommen, das ist schlechter Stil. Deshalb musste ich diese Wörter hier schnell mal parken, um sie los zu sein, denn wenn ich als trauriger Fanboy über Omega Massif schreibe, drängen sich Wiewörter wie diese halt sehr auf.

Back to black

Das Hören von “Karpatia” (2011), dem zweiten und letzten Studioalbum von Omega Massif, war für mich ein (Wieder-) Erweckungserlebnis. (Danke übrigens an Andreas für den Anspieltipp an dieser Stelle!) Wie so viele Menschen dachte ich, dass Metal ein Genre ist, dem man entwächst, wenn man nicht irgendwie … stecken bleiben und mit Mitte Dreißig mit Bierbauch, müffelndem Sodom-Shirt und Halbglatzen-Matte-Kombi, abhängig von Dosenbier und halb taub auf dem Wacken-Zeltplatz “MAIDEEEEN!” grölend jegliche Würde verlieren will. Metal, das war für mich eine Welt aus Drachen, leicht bekleideten Jungfern in Stahl-BHs, hammerschwingenden Kriegern und satanischen Ritualen – letztlich pubertär und eskapistisch. Dazu viel zu schnell, reizüberflutend und poserig, was die instrumentalle Seite angeht. Und dann auch noch, als Community bzw. Subkultur, hoffnungslos konservativ.

Wie bitter: Ausgerechnet in der Phase zwischen Ende der 90er und Anfang der 00er-Jahre, als ich also aus dem Metal ausstieg, um musikalisch “erwachsen” zu werden, wurde der Metal (teilweise) erwachsen. Nach und nach erschließe ich mir gerade rückblickend, mit großen Augen und noch größeren Ohren, die düster-bunte Welt von Post-Metal, Drone Doom, Sludge, Metalgaze und Co. Und alles nur dank Omega Massif, deren Sound mir so den Arsch angeschoben hat, dass ich seitdem meine Ex-Lieblingsband Radiohead irgendwie weinerlich finde. (Fast hätte ich “schwul” geschrieben. Gott sei Dank hab ich noch einen halbwegs funktionierenden PC-Filter.)

Übrigens bin ich scheinbar nicht der einzige, dem es so geht. “Dr. Schreck” schreibt in seiner Rezension von “Karpatia”: “Omega Massif sind eine der Bands, die mir den Metal wieder erträglich gemacht haben, und nicht nur das: Sie haben mir auch die Liebe zum Metal wiedergegeben, indem sie ihn befreit haben von den dummen Klischees und den kitschigen Kodizes, indem sie tolle Songs in einem kargen, rauhen Sound aufgenommen und die Härte und die Melancholie der Menschenleere einfach in den kalten, leeren Raum gestellt haben. Ein Monolith von einer Platte.”

Progressive-Psychedelic-Instrumental-Downtempo-Doom-Post-Metal-Ambient-Sludge

Mit den Genres im Metal ist das ja so eine Sache – liebe Grüße an Heiner, den Genre-Hasser an dieser Stelle – aber zwecks pseudowissenschaftlicher Komplettheit hier mal ein Einordnungsversuch: Omega Massif sind (waren! Scheiße!) neben Long Distance Calling die wichtigsten Vertreter des deutschen Post-Metal. Das sehen (sahen!) sie aber selbst bisschen anders – auf der Band-Website ist von “Instrumental Downtempo” die Rede. Die neunmalkluge Wikipedia salbadert: “Die Band spielte eine für den Post-Metal typische Melange aus Hardcore Punk, Doom Metal, Progressive Rock und Ambient. Andere Autoren hörten auch Elemente aus Metalcore und Postrock.” Jut, jetzt wisst ihr Bescheid. (Aber echt jetzt mal: Punk? Metalcore? Wer hat’n dit jeschriem?) Egal. Eigentlich ist die einzig wahre Genrebeschreibung für Omega Massif: Erwachsenen-Metal.

Zugegeben, das komplette Fehlen von Gesang macht es auch einfacher, “erwachsen” und unangreifbar zu wirken. Im Grunde würde die gleiche Musik auch mit darüber gegrowlten Hasstiraden auf Christen und/oder im Falsett vorgetragenen länglichen Auslassungen über epische Schlachten zwischen Orks und Waldelben funtionieren. Aber sie würde eben derbe übel schrumpfen. Zusammen mit dem Artwork der Band und den gebirgig inspirierten Songtiteln erweckt die Musik von Omega Massif vage, emotionale Bilder von menschenleeren, majestätischen Landschaften – oder von ganz fremden Sphären, für die wir in unserer Sprache schlicht keine Worte haben. Es gibt gute Gründe dafür, dass die meiste Musik Gesang beinhaltet. Aber – das weiß ich jetzt – es gibt auch verdammt gute Gründe für Musik, sich von Worten zu emanzipieren. Wenn sie genug Substanz hat jedenfalls.

Danke, Omega Massif!

Was ich jedenfalls sagen will: Die Auflösung von Omega Massif ist ein echter Verlust für die Musikwelt. Und aber auch: Danke! Mit Anfang 30 erwartet man nicht mehr, so ein singuläres Wow-Erlebnis beim Musikhören zu haben. Zum Glück gibt’s da draußen, abzweigend von Omega Massif, noch jede Menge abgefahrenen Erwachsenen-Metal zu entdecken, ganz ohne Drachen und Jungfern. [Das nur als Fußnote für Gleichgesinnte, die auch auf der Suche nach spannender Musik aus ungefähr dieser Ecke sind: Bisher habe ich – in alphabetischer Reihenfolge – diese Bands gefunden und toll gefunden: Barn Owl (seeeeehr ambientig!), Barrows, Earth (die Drone-Urväter!), ISIS, Jakob, Lento, Long Distance Calling, Naam (sehr retroiger Sound), Neurosis, Ninth Moon Black, Part Chimp (ziemlich brachial & LoFi), Pelican, Red Sparowes, Russian Circles, Swans, Toe, True Widow, Ufomammut, U.S. Christmas, Windhand, Zu. Bestimmt (hoffentlich!) gibt’s da aber noch viiiiel mehr, ich bin ja jetzt echt noch ein derber Noob auf dem Gebiet.] Leider ist bisher keine der Bands so voll auf die Zwölf wie Omega Massif. Für mich hat die Erweckung jedenfalls so viel bedeutet, dass ich jetzt Bass in einer Band spiele, die grob in den gleichen Jagdgründen wildert. Auch dafür danke, denn es macht irre Spaß.

50% Hoffnung, 50% Angst

Zwei der Mitglieder von Omega Massif sind übrigens mit einem neuen Projekt zugange. Es heißt “Phantom Winter”. Noch gibt’s nix zu hören, aber das scheint eine Frage von Tagen, höchstens Wochen zu sein. Ich hab echt Angst, dass das scheiße und blackmetalig wird. Und dass da einer singt/growlt/screamt. Aber vielleicht, nur ganz vielleicht, wird es ja auch geil?

P.S.: Ach ja. Wenn das tatsächlich jemand liest, der das alles ähnlich sieht & sich in dem Bereich musikalisch auskennt: Ich bin extrem dankbar für Band- und Alben-Tipps – einfach unten kommentieren!

Daniel

Daniel

The Other Guy at Weltenschummler
Schreiberling mit halbwegs kontrollierter Tastatur-Tourette. Concerned but powerless. Musiker, Teilzeithippie und Linksträger. Kann sich nicht an das Ende von “Fear and Loathing in Las Vegas” erinnern. Ehemaliger Copilot von Weltenschummler.
Daniel